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Orthorexie – wenn der Wunsch nach gesunder Ernährung zum Zwang wird

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Pizza? Niemals! Sie essen nur Lebensmittel ohne Zusatzstoffe, gern aus biologischem Anbau. Ihr ganzes Leben dreht sich um gesunde Ernährung – und wird damit zu einem Zwang. Die Rede ist von Menschen mit Orthorexie.

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Es ist bislang nicht wissenschaftlich anerkannt, doch Experten sind der Meinung, dass Orthorexie zu den Essstörungen zählt und eine ernstzunehmende Krankheit ist, mit der Menschen ihrem Körper schaden können. Und das alles nur, weil sie auf eine gesunde Ernährung achten? Klingt paradox.

Das verbirgt sich hinter Orthorexie

Der Begriff Orthorexie stammt aus dem Griechischen. Orthós bedeutet „richtig“, órexis steht für „Appetit“. Menschen mit Orthorexie machen auf den ersten Blick alles richtig. Sie kümmern sich um ihren Körper. Sie achten auf eine gesunde Ernährung, wollen alles bestmöglich machen. Sie machen das, um fit zu sein, gesund zu bleiben und manche auch, um abzunehmen bzw. schlank zu bleiben, so die Psychologin Dr. Friederike Barthels vom Institut für Experimentelle Psychologie der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Etwa ein bis drei Prozent der Deutschen sind einer Studie zufolge, die Dr. Barthels mit ihren Kollegen gemacht hat, an Orthorexie erkrankt.

Menschen mit Orthorexie gehen mindestens einen Schritt zu weit. Sie streichen nach und nach immer mehr Lebensmittel von ihrem Speiseplan – weil sie ungesund sein und dem Körper schaden sollen. Gluten, das in Mehl steckt, soll den Körper von innen verkleben. Milch und Milchprodukte sorgen für Übersäuerung – was wissenschaftlich betrachtet gar nicht stimmt.

Am Ende bleibt ein kleines Häufchen an Lebensmitteln übrig – aus Bioanbau und garantiert ohne Zusatzstoffe – das gegessen werden darf. Das ist alles andere als gesund, denn dem Körper werden wichtige Nährstoffe nicht zugeführt. Ebenfalls kritisch zu sehen: Der Wunsch nach einer gesunden Ernährung ist bei Menschen mit Orthorexie ein richtiger Zwang. Die selbst aufgestellten Ernährungsregeln werden rigide eingehalten, auf Abweichungen vom Ernährungsplan wird mit massiven Schuldgefühlen reagiert.

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Orthorexie: typische Symptome

Typische, festgelegte Symptome gibt es nicht, da Orthorexie bislang nicht offiziell als Krankheit anerkannt ist. „Betroffene haben aber ein auffallend ausgeprägtes Verlangen, sich nach subjektiven, eigenen Kriterien gesund zu ernähren. Dazu kommt die starke Angst, durch eine vermeindlich ungesunde Ernährung krank zu werden“, so Dr. Barthels.

Was als gesunde Ernährung bezeichnet wird, kann sehr unterschiedlich sein. Manche Menschen mit Orthorexie ernähren sich vegan, andere verzichten auf glutenreiche Lebensmittel wie Brot oder Nudeln. Sie haben jedoch alle gemeinsam, dass der Wunsch sich genau nach den eigenen Vorstellungen zu ernähren, zwanghaft ist. Essen gehen mit Freunden? Machen Orthorektiker nicht. Sie wissen schließlich nicht, was im Essen drin ist. Sie haben Angst, dass sie mit den Zusatz- und Schadstoffen, die bestimmt in dem Essen stecken, ihrem Körper schaden.

Viele Menschen mit Orthorexie haben zudem den Drang, alle anderen zu missionieren, sie von ihrer Form der vermeindlich gesunden Ernährung zu überzeugen. Es tut ihnen in der Seele weh zu sehen, wie sich die anderen ein Stück Pizza in den Mund schieben, mit Genuss ein Stück Kuchen essen oder gar einen Cocktail trinken.

Wann wird Orthorexie zum Problem?

Es spricht nichts dagegen, auf seine Ernährung und den Körper zu achten. Problematisch wird es, wenn der Wunsch zum Zwang wird und sich alles nur noch ums Essen dreht, um Inhaltsstoffe und Mahlzeitenzusammenstellung. Die Übergänge sind oft fließend. Daher gilt es: Lieber zu früh als zu spät handeln.

Therapiemöglichkeiten von Orthorexie

Wer den Verdacht hat, dass jemand im Freundeskreis oder der Familie an Orthorexie leidet, sollte das Gespräch suchen. Richtige Ansprechpartner sind Psychotherapeuten mit einem Schwerpunkt auf Essstörungen. Sie können Experten nennen, die Hilfestellungen geben.

Da Orthorexie offiziell nicht als Essstörung oder Krankheit gilt, gibt es bislang keine Leitlinien für die Therapie. Wichtiges Ziel ist es, dass Orthorektiker wieder lernen, mit Genuss zu essen. Da sie jedoch zutiefst von der Richtigkeit ihrer Ernährungsweise überzeugt sind, ist das ein schweres Unterfangen.