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Eltern aufgepasst! Warum ihr das Chaos im Teenie-Zimmer nicht bekämpfen solltet

Teenagermädchen liegt auf dem Sofa, um sie herum herrscht Chaos.
© Getty Images/ fcafotodigital

Vorab m Video: Warum dein Teenager jetzt eher auf Fremde hört als auf dich

Teenager sind chaotisch. Sie lassen alles liegen und ihre Zimmer sind eine Katastrophe. Tatsächlich steckt dahinter aber eine wichtige Entwicklungsphase.

Der Fußboden erinnert an jeden Grabbeltisch am Ende des ersten Tages eines großen Schlussverkaufs, der Schreibtisch bildet eine Landschaft aus Gläsern, Make-up und halb-offenen Schulheften und -büchern und das Bett sieht aus, als hätte jemand versucht, es neu zu beziehen, ist aber mittendrin dabei eingeschlafen. Und warum die Socken plötzlich alleine stehen können, das will man lieber nicht so genau wissen.

Und wo befinden wir uns? Im Zimmer einer heranwachsenden jungen Frau, besser bekannt als meine Teenie-Tochter. Und vermutlich sehen die Zimmer eurer Teenie-Töchter und -Söhne nicht sehr viel anders aus. Und auch wenn uns dieses Chaos kollektiv an unserer Erziehung zweifeln lässt, so wohnt dem doch etwas sehr Tröstliches inne.

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Denn ein unordentliches Jugendzimmer ist kein Ausdruck von Trotz, Faulheit oder fehlendem Respekt, sondern ein Zeichen einer gesunden Entwicklung des Kindes. Gott sei Dank.

Aber warum dieses Durcheinander?

Warum lebt das Chaos mit meinem Teen im Zimmer?

Mal wieder ist das Gehirn bzw. sein Umbau schuld an allem. Also, so ziemlich. Synapsen werden neu sortiert, Netzwerke umgebaut, Fähigkeiten optimiert und all das hat Folgen im Alltag.

1. Gehirn im Baustellenmodus

Wissenschaftler*innen bezeichnen das Teenagergehirn gern als Großprojekt bei laufendem Betrieb. Während langfristiges Denken, Impulskontrolle und Organisationsfähigkeit noch nicht vollständig ausgereift sind, arbeitet das Belohnungssystem im Teen auf Hochtouren. Alles, was die Dopamin-Ausschüttung antreibt, bringt den Teenager in Fahrt.

Und ihr ahnt es, Zimmer aufräumen ist ein absoluter Dopamin-Killer und deshalb ganz hinten auf der Prio-Liste der meisten Teenager. Da könnte man fast argumentieren, dass die Kids gar nichts dafür können, sondern die Biologie ist schuld.

2. Identität entsteht durch Chaos

Teenagern ist es wichtig, sich von ihren Eltern abzugrenzen, emotional, aber eben auch räumlich. Ihr Zimmer ist der Ort, an dem beides gelingt. Hier können sie schalten und walten, wie es ihnen beliebt und eben auch im absoluten Chaos hausen. Das Durcheinander, das dort herrscht, sagt in gewisser Weise: „Das hier gehört mir. Ich bestimme darüber.“

Ordnung, die von außen vorgegeben wird, empfinden viele Teens als Einmischung. Ihr chaotisches Zimmer ist irgendwie also auch ein Schritt Richtung Selbstständigkeit, denn sie entscheiden selbst, ob oder was sie aufräumen.

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3. Unordnung muss nicht unproduktiv sein

In einer Studie der Universität von Minnesota zeigte sich, dass Menschen in unaufgeräumten Zimmern kreativer denken. Das heißt selbstverständlich nicht, dass jeder unordentliche Teen ein verkanntes Genie ist. Aber es zeigt, dass Unordnung nicht zwangsläufig bedeutet, dass jemand faul ist.

Schließlich wissen die Teens oft sehr genau, wo in ihrem Chaos etwas liegt. Auf Außenstehende mag es wirken wie das absolute Durcheinander, für sie ist es ein selbst ‚entwickeltes‘ System.

Wann wird Unordnung zum echten Problem?

Auch wenn das eigene Zimmer dem Kind gehört, gibt es Grenzen. Hier sollte man unterscheiden, ob die Unordnung, die herrscht, der Pubertät zuzuschreiben ist und dem typischen Verhalten von Teenagern in dieser Entwicklungsphase. Oder ob die Unordnung ein Zeichen für Überforderung oder andere Probleme ist.

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Warnzeichen sind zum Beispiel:

  • Das Zimmer ist so voll, dass eine Grundhygiene nicht mehr möglich ist.
  • Schulsachen verschwinden regelmäßig und die Leistung in der Schule verschlechtert sich merklich.
  • Der Teen wirkt bedrückt, überfordert und zieht sich immer weiter zurück.
  • Essensreste, Müll und Schimmel sammeln sich im Zimmer und das Kind reagiert nicht auf die Bitten, das zu beseitigen.

Wer das Gefühl hat, hinter der Unordnung im Teenie-Zimmer verbirgt sich mehr, sollte sein Kind behutsam darauf ansprechen.

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Unbedenkliche Teenie-Unordnung:

  • Kleidung auf dem Boden, das Kind trägt aber noch sauber Sachen.
  • Voller Schreibtisch, der entgegen aller Annahmen schnell nutzbar gemacht werden kann.
  • Ungemachtes Bett, in dem aber regelmäßig geschlafen wird.
  • Die Tür zum Zimmer geht problemlos auf.

Psychologinnen und Psychologen betonen, dass ein unaufgeräumtes und unordentliches Zimmer ein Hinweis darauf sein können, dass das Kind andere, wichtige Entwicklungsschritte bewältigt, wie Freundschaften, Stressregulation, Identitätsfindung und sogar die Schule.

Und wenn Eltern die Unordnung extrem nervt?

Teenager reagieren auf Kritik schnell gereizt, besonders, wenn sie scheinbar immer und immer wieder für dasselbe kritisiert werden. Aber was kann man machen, wenn das Zimmer wirklich, wirklich schlimm aussieht?

1. Grenzen vereinbaren

In Sachen Zimmer aufräumen kann man sich als Eltern den Mund fusselig reden. Deshalb solltet ihr gemeinsam eine Vereinbarung finden. Statt zum Beispiel täglich etwas zu sagen, macht ihr einen Tag in der Woche aus, an dem der Teen für Ordnung sorgt. Den kann er frei wählen. Das gibt ihm oder ihr das Gefühl, die Dinge noch ein bisschen selbst in der Hand zu haben.

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2. Nicht hinterherputzen

Es juckt einem manchmal sehr in den Fingern, das Zimmer schnell auf Fordermann zu bringen, wenn das Kind nicht da ist. Das sendet aber das falsche Signal. Eigenverantwortung sieht anders aus. Zudem reagieren Kinder manchmal sehr gereizt, wenn sie wissen, dass die Eltern ohne ihr Wissen durch die Sachen gegangen sind.

Bleib also konsequent. Landet zum Beispiel die Schmutzwäsche nicht im Wäschekorb, sondern auf dem Fußboden, dann wird sie auch nicht gewaschen. Das ist keine Strafe, sondern logische Folge ihres Handelns.

3. Realistische Standards

Mit dem Alter hat man ja so seine Angewohnheiten und eine bestimmte Ästhetik in Sachen Ordnung entwickelt. Für den Teen aber zählen ganz andere Dinge. Schaut also, dass ihr euch irgendwo in der Mitte trefft. Stellt idealerweise Regeln auf, was absolut nicht geht, wie:

  • Essensreste im Zimmer
  • keine Möglichkeit, das Fenster zu öffnen
  • kein freier Zentimeter Teppich ist sichtbar
  • der Schreibtisch ist zugemüllt.
  • etc.

Alles darüber hinaus sollte dem Kind gewährt werden.

4. Positive Verstärkung

Verhalten, das positiv anerkannt wird, wird von allen Menschen eher wiederholt als jenes, das negative Kritik erfährt. Räumt dein Kind also wirklich auf, sei es auch noch so halbherzig, reagiere mit Wertschätzung darauf. Das öffnet oft Türen.

Alles in allem ist ein chaotisches Zimmer der Kinder zwar nervig für uns, weil wir uns fragen, wie man in so viel Unordnung überhaupt entspannt auf dem Bett lümmeln kann, die Kids stört es aber überhaupt nicht. Und das ist das Entscheidende.

Lasst sie in ihrem Zimmer machen. Lasst sie in unordentlichen Betten schlafen, lasst sie ihre Hausaufgaben auf Klamottenbergen auf dem Fußboden machen, weil der Schreibtisch mit anderem Kram vollgepackt ist. Macht die Tür zu. Lasst sie wissen, dass sie Herrin oder Herr über ihr Reich sind. Vereinbart Grundregeln (und eine Grundreinigung hin und wieder) und schaut zu, wie die Kinder ganz langsam, also wirklich sehr langsam, zu mehr Ordnung finden. Also, irgendwann.

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