Meine Tochter äußert immer wieder, dass sie Mathe doof findet und sie glaubt, dass sie das sowieso nicht kann. Was absolut nicht stimmt. Den Beweis dafür hat sie ganz allein geliefert, in Form einer glatten 1 in der letzten Klassenarbeit. Ein bisschen stolz war sie deshalb schon. Und trotzdem ist sie überzeugt davon, dass ihr das Fach nicht liegt. Und ihren Freundinnen übrigens auch nicht.
Warum ist das so? Warum glauben kluge und clevere Mädchen wie meine Tochter, dass sie schlechter sind in Mathe? Und nicht nur in dem Fach, auch in anderen naturwissenschaftlichen Fächern wie Physik oder Chemie glauben viele, schlechter als die männlichen Mitschüler zu sein.
Fakt ist, dass es keine naturgegebene Mathe-Begabung für ein Geschlecht gibt. Und Jungs sind auch nicht die geborenen Physiker oder Chemiker. Was also lässt Kinder von heute genau das glauben?
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Mädchen können Mathe, ABER…
Schaut man sich Notenspiegel in Klassen an, finden sich unter den Besten einer Klasse oft mehr Mädchen als Jungs. Im direkten Vergleich scheint es also so, dass Mädchen ‚besser‘ in der Schule sind als Jungs. Das heißt, Mädchen können auch Mathe, sie trauen sich nur seltener zu, es zu können.
Die Ergebnisse der PISA Studien zeigen, dass Jungen und Mädchen in etwa gleich gut in Mathe abschneiden. In Deutschland unterscheiden sich die Ergebnisse minimal und schwanken auch von Jahr zu Jahr. Trotzdem schätzen Mädchen ihre Ergebnisse deutlich schlechter ein, wie eine Studie der Universität Potsdam zeigt.
Das bedeutet, Mädchen können Mathe, glauben das aber nicht. Ihnen mangelt es an Selbstvertrauen. Und weil Mädchen denken bzw. glauben, sie könnten es nicht, meiden sie es. (Selbstverständlich gibt es auch Jungs, die glauben, Mathe nicht zu können.) Warum das Fach Mathematik wohl das meist gehasste Schulfach ist, liest du gleich hier!
Und das ist problematisch! Wer früh glaubt, mathematisch einfach nicht begabt zu sein, wählt seltener MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Und das wiederum beeinflusst langfristige Berufschancen.
Laut diverser Studien entscheiden sich deutlich weniger junge Frauen für Studiengänge oder Berufe mit mathematischem Schwerpunkt, obwohl ihre Leistungen ausreichen würden. Aber auch im Alltag schadet ein schwaches mathematisches Selbstbild, z. B. wenn es um Finanzen geht. Wer hier früh das Interesse verliert und immer direkt abschaltet, wenn es um Zahlen geht, traut sich später weniger zu.
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Was Eltern von Töchtern tun sollten
Keine Angst, ihr müsst eure Tochter jetzt nicht mit aller Macht zum Matheprofi drillen. Ihr könnt ihr aber helfen, mehr Selbstvertrauen für das Fach zu entwickeln.
1. Setzt Sprache bewusst ein
Sprache prägt unser Denken. Sätze wie, „Ich war auch nie gut in Mathe“ oder „Mir lagen Sprachen immer mehr“, klingen zwar harmlos, bestätigen aber alte Muster. Formuliert man anders, sagt man zum Beispiel, „Mathe war für mich manchmal knifflig, aber man kann das üben“, vermittelt man dem Kind, dass es normal ist, mal Schwierigkeiten zu haben, die aber nicht gleichbedeutend mit Unfähigkeit sind.
2. Erfolge sichtbar machen
Dein Kind hat super lang an einer kniffligen Aufgabe gesessen, sie aber schlussendlich lösen können? Das sind genau die Momente, die du nutzen kannst, um seine Selbstwirksamkeit zu stärken. Lobe seinen Weg, die Ausdauer und die Konzentration, die es schließlich zur Lösung gebracht haben. Fast nichts fühlt sich besser an, als etwas Schwieriges durch die eigene Anstrengung gelöst zu haben.
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3. Nimm Druck raus
Eine Studie hat gezeigt, dass, je größer der Zeitdruck bei einem Mathetest ist, umso schlechter schneiden Mädchen ab. Zum Teil waren sie um bis zu 40 % schlechter als die männlichen Studienteilnehmer.
Heißt, wir Eltern müssen unseren Töchtern helfen, Aufgaben mit weniger Druck zu lösen. Wir dürfen nicht müde werden, zu erklären, dass Fehler zum Lernen dazugehören, dass es manchmal nicht beim ersten, zweiten oder dritten Versuch klappen wird, aber dass all das in Ordnung ist. „Schnell rechnen können“ ist kein Talent, sondern Routine. Und wer die entwickelt und dazu noch sein Mathe-Selbstvertrauen steigert, wird auch besser werden.
4. Vorbilder
Kinder brauchen Vorbilder, mit denen sie sich identifizieren können. Schaut euch bei euren Freunden, Verwandten und Bekannten um und zeigt eurer Tochter die Frauen, die mit Zahlen arbeiten: Ingenieurinnen, Controllerinnen, Architektinnen, Data Scientists, Ärztinnen, Lehrerinnen und viele mehr. Mathe ist kein ‚Jungsding‘!
5. Haltung ändern
Hand aufs Herz, aber viele von uns Erwachsenen haben ein eher schlechtes Verhältnis zu Mathe, weil wir selbst schlechte Erfahrungen gemacht haben. Frag dich deshalb, welche Botschaft du über Mathe verinnerlicht hast, die du vielleicht unbewusst an deine Tochter weitergibst. Ist das eher Matheangst oder Zuversicht?
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Woran du erkennst, dass dein Kind sich unterschätzt
Kinder, denen die Mathematik nicht einfach in den Schoß fällt, entwickeln oft eine Abneigung, mit der sie sich selbst im Weg stehen. Ist Mathe für dein Kind oft ‚unnötig‘ oder ‚langweilig‘, meidet es freiwillige Aufgaben in dem Fach und spricht es von ‚Glück‘, wenn es eine gute Note geschrieben hat, sind das Anzeichen dafür, dass es verinnerlicht hat, nicht gut in Mathe zu sein. Ihm fehlt es an Selbstvertrauen. Aber das lässt sich Gott sei Dank wieder aufbauen.
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